Egal ob Faszination, Freude, Respekt oder Angst, Haie lösen bei jedem Taucher Gefühle aus. Ich habe zumindest kaum einen Taucher in meinem Leben getroffen, den Haie wirklich kalt lassen. Deswegen möchte ich mich in diesem Artikel ein bisschen mit einigen Haiarten beschäftigen, denen wir als Taucher in Ägypten begegnen und meine persönlichen Erfahrungen mit Euch teilen.
Grauer Riffhai
Die grauen Riffhaie werden häufig auch als die Wölfe des Meeres bezeichnet. Diese Beschreibung hat aber nichts mit ihrem Verhalten dem Menschen gegenüber zu tun, sondern mit seiner oft beobachteten Jagdstrategie. Grauhaie machen im Rudel Jagd auf Schwarmfische. Dabei treibt eine Gruppe von Grauen Riffhaien Schwarmfische an der Riffwand zusammen und greift diese danach an. Vom Verhalten Menschen gegenüber müsste man sie wohl eher als Hasen bezeichnen. Diese Haie sind normalerweise scheu und vor allem gegenüber Tauchern eher ängstlich. Wenn ein Grauer Riffhai näher als zwei Meter kommt, heißt das, er hat den Taucher aus welchem Grund auch immer nicht wahrgenommen. Meist endet so ein Zusammentreffen mit einer recht abrupten Fluchtreaktion. Als Taucher braucht man sich über das Gefahrenpotential in Bezug auf Graue Riffhaie tatsächlich wenig bis keine Gedanken machen. Wenn man das Glück hat, dass ein Grauer Riffhai in der Nähe vorbeischwimmt, einfach genießen. Denn es dauert meist nicht lange. Neugier zählt bei diesen Haien, zumindest im Roten Meer, nicht zu den herausstechenden Eigenschaften. Im Südpazifik wird allerdings immer wieder von aggressiven Verhalten auch gegenüber Schwimmern und Tauchern berichtet. Es gibt Meeresbiologen, die dies auf die Atomwaffentest im Bikini Atoll zurückführen. Erwiesen ist das aber nicht.
Graue Riffhaie sind vor allem im Roten Meer, Indopazifik und in der Südsee verbreitet. Die besten Plätze, um Graue Riffhaie im ägyptischen Roten Meer anzutreffen, sind die Brothers, Daedalus Riff, Rocky Island und die Riffe von St. John. Am liebsten hat der Graue Riffhai Kanäle zwischen Innen- und Außenriff und Riffe mit ordentlich Strömung.
Bogenstirn Hammerhai
Wer hat noch nicht die Bilder und Videos von hunderten Bogenstirn Hammerhaien bewundert, die am Riff entlangziehen. So große Populationen sind allerdings nur an wenigen Orten der Welt zu beobachten. Dazu zählen in erster Linie die Galapagos Inseln und einige andere Inselgruppen im Südpazifik. Die Bogenstirn Hammerhaie sind für Taucher prinzipiell ungefährlich. Auch wenn immer wieder behauptet wird, dass es Angriffe von Hammerhaien auf Menschen gab, fehlt dafür jeder Beleg. Hammerhaie gibt es rund um den Planeten in allen gemäßigten und tropischen Zonen. Nur im Mittelmeer sind sie nicht heimisch. Die Bogenstirn Hammerhaie lassen sich sehr gut beobachten, solange man keinen Druck auf sie ausübt. Wichtig ist hier vor allem, dass man nicht auf sie zu schwimmt. Das führt lediglich dazu, dass sie sich entfernen. Am besten man bleibt in einer kompakten Gruppe. Es gibt einen Trick, mit dem man es immer wieder schafft, die Hammerhaie näher an die Taucher heranzubringen. Man nimmt eine kleine Plastikflasche, füllt sie etwa zur Hälfte mit Wasser und rollt dann die Flasche zwischen den Händen hin und her. Dies erzeugt ein knisterndes Geräusch, das die Hammerhaie offensichtlich neugierig macht. Funktioniert zwar nicht immer aber deutlich zu oft, um es als Zufall zu werten.
Wie gesagt sind die Bogenstirn Hammerhaie auch im Roten Meer recht verbreitet. Im ägyptischen Teil ist hier vor allem Daedalus Riff ein Hotspot. Aber auch auf den Brothers sowie in Elphinstone oder im Norden am Jackson Riff kann man Bogenstirn Hammerhaie beobachten. Die meisten gibt es allerdings im Sudan zu sehen.
Longimanus – Hochsee Weißspitzenhai
Wenn es einen Hai gibt, der es verdient als für den Menschen „potentizell gefährlich“ eingestuft zu werden, dann wäre das wohl der Longimanus. Diese Haie sind sehr neugierig und zeigen keine Scheu vor Menschen. Außerdem kommt dazu, dass sie so eine Art „schwimmende Mülleimer“ sind. Ich selbst konnte in der Vergangenheit schon einige Male beobachten, wie sich diese Haie an menschlichen Exkrementen gütlich taten, die aus den Toiletten von Safarischiffen kamen. Tatsächlich gibt es nur wenige Haie, die so ein breites Nahrungspektrum haben wie der Longimanus. Besonders beliebt waren bis vor einigen Jahren die Küchenabfälle der Safarischiffe, die damals (und manchmal auch heute noch) einfach im Meer entsorgt wurden. In den letzten Jahren gab es immer wieder speziell im Roten Meer Unfälle mit diesem Hai. Die Hauptursache für diese Unfälle ist defintiv falsches Verhalten. Wenn man sich in der Nähe eines Longimanus im Wasser aufhält, ist es extrem wichtig, den Hai nicht aus den Augen zu lassen. Was man ebenfalls unbedingt vermeiden sollte, ist jede Form von Fluchtversuch. Das hätte ja sowieso keinen Sinn, er ist nämlich garantiert schneller. Wie Walter Bernardis immer so schön sagt: „If you behave like food, you will be treated like food“. Das Wichtigste bei dem Zusammentreffen mit einem Longimanus ist „Stand your ground“ also „Behaupte deinen Platz“. Am besten ist es, man richtet sich im Wasser auf, macht sich also groß und hält direkten Blickkontakt mit dem Hai. Das oft beschriebene Auf-die-Nase-Schlagen würde ich auf keinen Fall empfehlen. Dabei kann es leicht passieren, dass man seinen eigenen Arm im Hai wiederfindet. Auch das Entgegenstrecken der Flossen macht nur dann Sinn, wenn man die ohnehin nicht mehr braucht. Denn wer mit seinen Flossen vor der Nase von einem „Longi“ rumwedelt, darf sich wirklich nicht wundern, wenn sie danach weg sind.
Der Longimanus kommt in allen Meeren vor, in denen die Wassertemperatur zwischen 18 und 28 Grad beträgt. Im Mittelmeer sind Sichtungen sehr selten. Man vermutet, dass manchmal einzelne Exemplare über den Suezkanal oder die Strasse von Gibraltar in das Mittelmeer emigrieren. Aber bis dato konnte sich noch keine Population etablieren.
Im ägyptischen Roten Meer trifft man den Longimanus vor allem bei den Brothers, in Elphinstone und am Daedalus Riff sowie an den Riffen von St. John an. Der Longimanus schwimmt meistens eher in Oberflächennähe, manchmal folgt er aber Tauchern auch in größere Tiefen. Direkt an die Riffwand schwimmt er nicht gerne. Er bevorzugt das offene Wasser.
Tigerhai
Obwohl die Tigerhaie gemeinhin als für den Menschen gefährlich bezeichnet werden, deckt sich das überhaupt nicht mit meinen eigenen Erfahrungen. Bei meinen zahlreichen Begegnungen kam es kein einziges Mal zu einer Situation, die man als gefährlich hätte einstufen müssen. Klarerweise ist die Begegnung mit einem Tigerhai immer ein aufregendes Erlebnis. Schon die schiere Größe und die Masse flößt einen gewissen Respekt ein. Dennoch sind diese Alpha Prädatoren eher vorsichtig und scheu. In der Regel ziehen sie einfach vorbei, ohne den Taucher zu beachten. Manchmal allerdings kann man das Glück haben und trifft auf einen oder eine, die neugierig ist. Dann heißt es, das Herz in die Hand zu nehmen und ruhig zu bleiben. Das Wichtigste ist dabei, die Tarierung zu halten. Denn alles, was Richtung Boden sinkt, ist sofort sehr interessant. Ansonsten gelten die gleichen Verhaltensregeln wie für den Longimanus.
Tigerhaie gibt es in allen tropischen und subtropischen Meeren. Im ägyptischen Teil des Roten Meeres sind die Chancen auf Tigerhaie in Elphinstone und St. John am besten. Ich hatte aber auch am Gordon Riff (Tiran) und in der Nähe der Thistlegorm Begegnungen mit einem Tigerhai. Generell schwimmen Tigerhaie nachts gerne in Flachwasserbereiche und Lagunen. Also findet man sie in der Regel eher an Riffen, die nicht so weit von der Küste weg sind.
Fuchshai
Fuchshaie zählen für mich zu den absoluten Highlights. Einerseits weil man sie nicht so oft antrifft, andererseits weil sie sich in Ihrer Erscheinung doch stark von anderen Haien abheben. Die großen Augen und der extrem verlängerte Oberteil der Schwanzflosse machen ihn zu einer besonderen Erscheinung. Fuchshaie sind eher scheue Zeitgenossen. Es ist schwer ihnen wirklich nahe zu kommen. Die besten Erfahrungen habe ich damit gemacht, dass man sich sehr nahe am Grund oder Riff aufhält und dabei so wenig Bubbles wie möglich produziert. Eine Gefahr für Taucher geht von diesen Haien nicht aus. Aber sie können doch bis zu 3,5 Meter groß werden und haben mitunter einen recht massigen Körper, was sie durchaus Respekt einflößend wirken lässt.
Die beste Möglichkeit in Ägypten diese Haie anzutreffen ist die Südseite vom Big Brother. Dort gibt es einen Sattel der sich in Richtung Süden erstreckt. Der Sattel beginnt in etwa 25 Metern und an der Außenseite hat es vierzig plus. Hier hat man am späten Nachmittag, also etwa 1 bis 1,5 Stunden vor Sonnenuntergang eine gut Chance auf Fuchshaie zu treffen. Aber Achtung! Die Strömungen an dieser Ecke können ziemlich unberechenbar sein.
Walhai
Auch wenn dieser Hai keine Zähne hat, zählt er zu den eindrucksvollsten Bewohnern der Weltmeere. Das Zusammentreffen mit diesen sanften Riesen, zählt für jeden Taucher zu den absoluten „Hai“- lights seiner Laufbahn. Bei mir dauerte es allerdings über 6000 Tauchgänge, bis ich das Glück hatte, diesem wunderbaren Tier zu begegnen. Bisher hatte ich leider nur vier Begegnungen mit Walhaien. Aber ich hoffe doch, dass ich mein Walhaikonto in den nächsten Jahren noch aufstocken kann. In meinen bisherigen Begegnungen konnte ich beobachten, dass Walhaie gerne durch die ausgeatmeten Luftblasen von Tauchern schwimmen. Ich habe allerdings keine Ahnung, warum das so ist. Auch wenn Walhaie für den Menschen gänzlich ungefährlich sind, sollte man mit dem Angreifen vorsichtig sein. Erstens könnte es den Hai stören, wodurch das Zusammentreffen abrupt zu Ende sein könnte. Und zweitens besteht seine Haut wie bei den meisten Haien aus Plazoidschuppen. Diese sind zwar klein, aber sehr scharfkantig. Das kann zu ziemlich starken und schlecht heilenden Abschürfungen führen.
Im ägyptischen Roten Meer sind Walhaie eigentlich fast überall anzutreffen. Die häufigsten Sichtungen gibt es rund um Ras Mohamed sowie in der Strasse von Tiran. Aber auch die Brothers sowie Daedalus Riff werden zu bestimmten Jahreszeiten (Planktonblüte) von den Walhaien vermehrt aufgesucht. Generell hat in den letzten Jahren die Zahl der Sichtungen im ägyptischen Teil des Roten Meeres zugenommen.
Danke für das Lesen! In einem der nächsten Artikel werde ich über die Haie in Südafrika berichten. Stay tuned! Bleibt gesund!